Signet Gartengestaltung, Hausgärten, Gartenanlagen und Pflanzplanung Signet Christina Dorsch

06. April 2021 – … und sie bewegen sich doch …

ein wesentliches Merkmal der Pflanzen ist, dass sie sich nicht fortbewegen - richtig oder falsch?

Fest verwurzelt

Ein Baum steht an der Stelle, wo sein Samen irgendwann hinfiel, oder da wo er gepflanzt wurde, wenn alles gut geht bis zu seinem natürlichen Ende, womöglich für hunderte von Jahren, womöglich für tausende. An diesem Ort erträgt er zwangsläufig, ohne darauf Einfluss nehmen zu können, was um ihn herum geschieht, seinem Schicksal, seinem Standort ausgeliefert.

Wachsen ist Bewegung

Und doch bewegen sich Pflanzen unentwegt. Das Wachstum der Blätter zu diesem Zeitpunkt im Jahr ist so schnell, dass man nahezu dabei zusehen und die Bewegung wahrnehmen kann. Schon immer hat es  mich fasziniert, wie eine Weinrebe, oder ein Blauregen sich mit einer langen Ranke einen Ast schnappt und sich gezielt darum wickelt – über Nacht. Von einem dreiwöchigen Urlaub im Sommer zurückkommend, habe ich hin und wieder einen leichten Anflug von Beunruhigung und kurz das Bild vor Augen, wie der Blauregen seitlich an unserer Terrasse unbemerkt die Macht an sich reißt und uns komplett überwuchert. Und dann erst die Brombeeren, ich bin davon überzeugt, dass die Brombeeren unseren Garten in kürzester Zeit komplett erobern würden, mit Ranken von 10 Metern Länge und mehr. Das Dornröschenschloss in hundert Jahren von undurchdringlichen Ranken von Rosen und Brombeeren umgeben, erscheint mir dann immer ziemlich plausibel, trage ich doch jedes Mal bei meinen Eindämmungsaktionen richtige Verletzungen davon.

Lange Ranken

An jedem Punkt, wo eine lange Brombeerranke den Boden trifft, am Ende, in der Mitte, an mehreren Stellen zugleich, wird sie neue Wurzeln bilden und neue, autarke Brombeeren sind an einem anderen Ort aufgetaucht. Wenn das keine Fortbewegung ist – diese Strategie macht die Brombeere natürlich auch so erfolgreich. Andere Pflanzen können das auch, so oder in ähnlicher Form. Ausläufer über oder unter der Erde kennen wir zum Beispiel von Erdbeeren, Giersch, sogar manche Bäume machen von selbst Absenker und bewegen sich verjüngt fort. Gesehen habe ich das zum Beispiel bei großen, alten Lebensbäumen oder der kaukasischen Flügelnuß. Auch die heimische Schlehe verbreitet sich über Ausläufer. Ganz zu schweigen von Bambus. ich habe mit eigenen Augen gesehen, dass Bambuspflanzen Rasenflächen unterirdisch überwunden haben, um am anderen Ende mit Sprossen wieder aufzutauchen.

Jedes Jahr woanders

Viele andere Pflanzen wandern durch den Garten in Samen-Generationen. Die Akelei ist ein besonders bezauberndes Beispiel dafür. Jede einzelne Pflanze ist eher kurzlebig, aber wenn man es zulässt dann tauchen sie immer wieder an einer anderen Stelle im Garten auf. Gerade bei den Stauden gibt es beständige Ausbreitungs- und Verdrängungsprozesse, aber auch sich durchdringende Ko-Existenzen.

Pflanzpläne

Wenn ein Garten geplant wird, dann gibt es irgendwann einen Pflanzplan, hoffentlich einen guten. Aber leider suggeriert ein gezeichneter Plan, dass zum Beispiel eine Gruppe von 5 Exemplaren der Spornblume an diese genaue Stelle gepflanzt werden – und genau da sollen sie gefälligst bleiben, und zwar für immer! Aber das ist nicht so. Man darf einen Pflanzplan, besonders wenn er Stauden und Blumenzwiebeln enthält nicht als etwas Statisches, Fixierendes betrachten, sondern als den Anfang einer dynamischen Entwicklung.

neue Pflanzplanung – nah an der Natur

Je näher an der Natur wir im Garten gestalten wollen, desto mehr müssen wir uns auf diese dynamischen Prozesse einlassen. Desto größer muss unser Wissen um die Pflanzen sein. Im Garten greifen wir ein und regulieren und überlassen nicht alles sich selbst, denn wir haben nicht die Zeit zu warten, bis aus einer von Brombeeren überwucherten Situation, die durch menschlichen Stickstoffeintrag zustande gekommen ist, wieder ein stabiler lichter, vielfältiger Waldsaum wird, zum Beispiel. Denn das dauert eventuell Jahrhunderte.

Die gute Nachricht ist: mehr über Pflanzen zu wissen, hilft auch Arbeit zu verringern. Wenn man weiß, wann man die Zügel schleifen lassen kann und wann man gezielt eingreifen sollte, hält sich Gartenarbeit in einem verträglichen Rahmen, finde ich.

Entwurf: Christina Dorsch

Realisierung: Thomas Borghoff