11. Januar 2021 – Winter-Wunderwelt
Man muss sich schon ein wenig höher befinden in der Pfalz, um im Winter an ein paar Tagen die Welt im Schneekleid zu sehen, und selbst da ist es meist nur von kurzer Dauer - aber wunderschön.
Die feinen Leisten aus Schnee sind, wie mit einem High-Liner, entlang der Linien der Stämme, Äste und Triebe gezogen. Im Sommer und Herbst erscheinen Gartenbilder zuweilen wie in Öl oder Aquarell gemalt. Das bepuderte Wintergeäst hat eher eine grafische Wirkung, wie eine Zeichnung. Die lineare Hervorhebung der Verästelung durch die Schneeleisten offenbart, ob ein Gehölz sein ihm typisches und ausgewogenes Wuchsbild aufweist. Jede, den natürlichen Charakter störende, oder gar zerstörende, Schnittmaßnahme wird deutlich sichtbar. Im belaubten Zustand ist dies nicht gleichermaßen gut zu sehen.
Bei einem ungeschnittenen Gehölz wächst das Geäst in dem gleichen Rhythmus, nach dem gleichen Muster, folgt dem gleichen Ordnungsprinzip. Wie lang, wie stark die Triebe werden, wann sie die Richtung in welchen Winkeln wechseln – würde man in einem Zeitraffer die Bewegung des Wachsens des Geästes eines Gehölzes betrachten, wäre das wie ein Tanz, bei dem sich die gesamte Tanzkompanie nach derselben Choreografie harmonisch bewegt. Durch jede Schnittmaßnahme kommt zumindest ein Teil der Tänzer aus dem Takt, im Wuchsbild manifestiert sich ein Fehler, der dauerhaft sichtbar bleibt. Wie sehr, das kommt auf das Ausmaß des Eingriffs an. Daher soll jede Schnittmaßnahme wohl überlegt sein und dem Gedeihen der Pflanze dienen, zum Beispiel der Verjüngung.
Bei der Pflanzung eines Gehölzes sollte die einer Pflanze genetisch vorgegebene Größe (diese bewegt sich je nach Standort, Boden, Nährstoffen und Klima in einer typischen Bandbreite, es gibt im Pflanzenreich niemals exakte Angaben) berücksichtigt werden. Dementsprechend soll die Auswahl einer Pflanze nach den räumlichen Gegebenheiten der jeweiligen Situation erfolgen. Einen Baum, der bis zu einer Größe von 20 Metern wachsen möchte, durch Schnitt auf eine Größe von 3 Meter zu begrenzen, ist nur in speziellen Fällen sinnvoll und erstrebenswert. Zum Beispiel: geschnittene Hecken. Hainbuche, Rotbuche oder Eibe sind klassische Heckenpflanzen und lassen sich dank ihres Regenerations-Vermögens nahezu unbegrenzt durch Schnitt formieren, sie können auch nach radikalem Rückschnitt Stamm-nah wieder austreiben. Diese Gehölze haben aber das Bestreben baumartig zu wachsen. Baumartig heißt im Fall der Rotbuche bis zu einer Größe von ca. 30 Metern, im Wald sogar bis ca. 45 Metern und sie kann mehrere Hundert Jahre alt werden. Im Fall der Eibe sind das ca. 20 Meter und mehrere Hundert Jahre. Bei der Hainbuche sind das ca. 25 Meter und ca. 150 Jahre. Eine gut gepflegte Eiben-, Hainbuchen- oder Buchenhecke ist ein wunderbares Gartenelement, aus der Gartengestaltung nicht wegzudenken. Dennoch finde ich es wichtig, zu wissen, wie diese Gehölze ohne regelmäßige Schnittmaßnahmen wachsen würden.
And by the way – eine zu einer Kugel geschnittene Zwergkonifere in der Höhe von zwei Metern ist kein Baum, sondern ein kleines Formgehölz. Aus einer Sonnenblume, wird nicht dadurch ein Baum, dass sie die Größe von drei Metern erreichen kann. Rosen werden zwar als Stämmchen gezogen, sind aber grundsätzlich keine Bäume, aber Gehölze, jedoch keine Stauden 😉 .